Die Geschichte der Flavonoidforschung
In den 1930er-Jahren entdeckten Albert Szent-Györgyi und andere Wissenschaftler, dass Vitamin C allein nicht so wirksam bei der Vorbeugung von Skorbut ist wie rohe gelbe Extrakte aus Orangen, Zitronen oder Paprika. Die erhöhte Aktivität dieser Extrakte wurde auf andere in der Mischung enthaltene Stoffe zurückgeführt, die man als „Citrin“ (in Anlehnung an Zitrusfrüchte) oder „Vitamin P“ (wegen ihrer kapillardichtenden Wirkung) bezeichnete.
Später stellte sich jedoch heraus, dass die betreffenden Substanzen – Hesperidin, Eriodictyol, Hesperidin-Methyl-Chalcon und Neohesperidin – nicht die Kriterien eines Vitamins erfüllten, sondern auf andere Weise wirkten.
Im Jahr 1936 zeigten Albert Szent-Györgyi und István Rusznyák erstmals, dass zwei aus Zitrusfrüchten gewonnene Flavonoide (Rutin und Naringenin) die Brüchigkeit und Durchlässigkeit der Kapillaren verringern. Diese Verbindungen spielen in Pflanzen eine wesentliche Rolle und besitzen im menschlichen Körper eine vitaminähnliche Wirkung. Flavonoide sind in Pflanzen weit verbreitet und erfüllen zahlreiche Funktionen: Sie sind die wichtigsten pflanzlichen Pigmente, die für die Färbung der Blüten verantwortlich sind – gelbe, rote oder blaue Farbtöne, die dazu dienen, Bestäuber anzulocken. In höheren Pflanzen sind sie an der UV-Filterung, der symbiotischen Stickstofffixierung und der Blütenpigmentierung beteiligt. Darüber hinaus können sie als chemische Botenstoffe, physiologische Regulatoren und Zellzyklus-Hemmer fungieren.
Das französische Paradoxon
Im Jahr 1991 berichtete das US-amerikanische Magazin CBS 60 Minutes über ein ungewöhnliches Phänomen in Frankreich: In bestimmten Regionen konsumieren die Menschen täglich reichhaltige Speisen, fettreiche Käsesorten und kräftige Rotweine – und dennoch leiden sie auffallend seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zudem ist ihre durchschnittliche Lebenserwartung höher als die der US-Amerikaner. Dieses Phänomen wurde als das „Französische Paradoxon“ bezeichnet.
Damals wusste noch niemand genau, worin die Ursache lag, doch erste Erklärungsversuche deuteten darauf hin, dass die spezifische mediterrane Ernährung und der regelmäßige Konsum von Rotwein der Schlüssel sein könnten. Einige Jahre später wurde diese Vermutung wissenschaftlich bestätigt, als Forscher im Wein bestimmte Polyphenole – pflanzliche, bioaktive Verbindungen (darunter Resveratrol) – identifizierten.
Seither haben zahlreiche Studien gezeigt, dass diese vor allem in roten Früchten vorkommenden Verbindungen günstige Eigenschaften besitzen, die es ihnen ermöglichen, als Antioxidantien zu wirken: Sie können das Risiko einer Arteriosklerose verringern und jene freien Radikale neutralisieren, die an der Entstehung von Krankheiten und letztlich auch am Alterungsprozess beteiligt sind.